Verordnung

(Bild: MQ-Illustrations –stock.adboe.com)

  • Die Störfall-Verordnung stellt Betreiber von Betriebsbereichen, die einen Sicherheitsbericht aufstellen müssen, vor
    Herausforderungen.
  • Ein neuer Leitfaden vom April gibt hier nun wertvolle Unterstützung und Vorschläge.
  • Das Papier geht dabei explizit auch auf die besondere Situation von Industrie- und Chemieparks ein.

In dem von der Störfall-Verordnung (12 BImSchV vom 15.03.2017, BGBl. I S.483, zuletzt geändert durch Art. 107 der VO vom 19.06.2020, BGBl I S. 1328) geforderten Sicherheitsbericht müssen die Betreiber von Betriebsbereichen der oberen Klasse unter anderem ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen sowie ein Sicherheitsmanagementsystem darlegen. Außerdem müssen die Betreiber ausreichende Informationen bereitstellen, damit die zuständige Behörde Entscheidungen über die Ansiedlung neuer Tätigkeiten oder Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebsbereiche treffen kann. Der Text der Störfall-Verordnung und seiner Anhänge stellt dabei für manche Betreiber von Betriebsbereichen, die einen Sicherheitsbericht aufstellen müssen, eine gewisse Herausforderung dar.

Leitfaden enthält wertvolle Vorschläge

Seit neuestem bietet hier nun der Leitfaden KAS-55, der am 15. April 2021 von der Kommission für Anlagensicherheit verabschiedet wurde, wertvolle Unterstützung. Das Papier baut auf der Handlungshilfe für Behörden und Betreiber des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) in Nordrhein-Westfalen vom August 2017 und der älteren Vollzugshilfe des Bundesumweltministeriums (BMU) zur Störfall-Verordnung vom März 2004 auf und stellt nun die aktuellste Vollzugshilfe dazu dar.

Der Leitfaden erläutert zunächst die Vorgaben aus Anhang II der Störfall-Verordnung über die Mindestangaben des Sicherheitsberichts und legt anschließend dar, wie das Sicherheitsmanagementsystem im Sicherheitsbericht zu dokumentieren ist. Unter Nr. 3.3 wird auch eine Mustergliederung zur textlichen Beschreibung des Sicherheitsmanagementsystems vorgeschlagen. Im Weiteren gibt der Leitfaden Vorschläge zur Beschreibung des Betriebsbereiches, seiner Zugänglichkeit, der örtlichen Lage und des Umfeldes, zur Entwicklung in der Nachbarschaft und zur Beschreibung der Bereiche, die von einem Störfall betroffen werden könnten. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Beschreibung der Anlagen des Betriebsbereichs, wozu insbesondere ein Verzeichnis der dort vorhandenen gefährlichen Stoffe sowie der sicherheitsrelevanten Anlagenteile gehört. Außerdem enthält der Leitfaden Vorschläge zur Ermittlung und Analyse der Risiken von Störfällen und der Mittel zu ihrer Verhinderung. Es findet sich dort auch eine Aufzählung der in der Verwaltungspraxis akzeptierten Methoden zur Durchführung von Gefahrenanalysen wie insbesondere den häufig verwendeten PAAG- oder Hazop-Verfahren.

Sodann wendet sich der Leitfaden der nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang II Abschnitt IV der Störfallverordnung geforderten Darstellung von Szenarien möglicher Störfälle sowie ihrer Wahrscheinlichkeit und den Bedingungen für ihr Eintreten zu, die im Sicherheitsbericht ausführlich zu beschreiben sind. Die entsprechenden Szenarien lassen sich grundsätzlich aus einer systematischen Gefahrenanalyse ableiten. Unter Nr. 7 werden außerdem Schutz- und Notfallmaßnahmen beschrieben, die zur Begrenzung der Auswirkungen von Störfällen vorhanden sein müssen.

Einheitlicher Bericht für gesamten Chemiepark empfohlen

Der Leitfaden KAS-55 befasst sich in Nr. 8 auch dezidiert mit Sicherheitsberichten in Chemie- und Industrieparks. Hier wird zutreffend dargestellt, dass es grundsätzlich keine Verpflichtung zu einem einheitlichen Sicherheitsbericht für den gesamten Chemie- und Industriepark gibt, dass dies aber aufgrund der engen Nachbarschaft mehrerer Betriebsbereiche und dem stofflichen Verbund und der Vernetzung mehrerer Anlagen dringend zu empfehlen ist.

Zu Recht wird auf die Vorteile von Industrieparks, wo private Infrastruktureinrichtungen von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt werden, gegenüber einem klassischen Industriegebiet hingewiesen. Es gilt aber, den Chemie- und Industriepark, der regelmäßig aus einem früher einheitlich genutzten Werk hervorgegangen ist, mindestens auf einem Sicherheitsstand zu halten, der früher unter einheitlicher Leitung des Gesamtstandortes gegeben war. Das erfordert zwingend eine Vielzahl vertraglicher Absprachen zwischen den Akteuren des Parks, da der Gesetzgeber die besondere Nähebeziehung vieler Unternehmen, die jeweils auch Betreiber von Störfall-Betriebsbereichen sein können, nicht regelt. Eine gewisse Ausnahme gilt nur für die sogenannten Domino-Betriebsbereiche nach § 15 Störfall-Verordnung, die aber einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde voraussetzen, an denen es häufig aber fehlt.

Der Leitfaden verweist daher zu Recht auf die Notwendigkeit, die Verantwortlichkeiten beziehungsweise Betreiberpflichten vertraglich festzulegen. Im Falle von Anlagenverbünden, bei denen das Produkt des einen Anlagenbetreibers der Ausgangsstoff des benachbarten Betreibers der Weiterverarbeitungsanlage ist, bedarf es der Festlegung klarer Schnittstellen zwischen den technisch miteinander verbundenen Anlagen. Gegebenenfalls bedarf es auch Absprachen der Betreiber zu wartungsbedingten Abschaltungen einzelner Anlagen und im Fall von Störungen einzelner Anlagen, die dann zwingend mit Auswirkungen auf die verbundenen Anlagen anderer Betreiber verbunden sind.

Zu Recht verweist der Leitfaden auch darauf, dass es sich bewährt hat, für einen Chemie- und Industriepark zumindest einen allgemeinen Teil des Sicherheitsberichts gemeinsam zu verfassen. Dieser Teil umfasst eine allgemeine Beschreibung des Standortes und seines Umfeldes, der gemeinsam genutzten Infrastruktureinrichtungen unter eventuell vorhandenen gemeinsamen Alarmierungs- und Gefahrenabwehreinrichtungen. Auch können hier die umgebungsbedingten Gefahrenquellen und die Gefahren durch Eingriffe Unbefugter für den ganzen Standort behandelt werden. Die daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen werden dann aber in der Regel vom Betreiber des jeweiligen Störfall-Betriebsbereichs in seinem eigenen Sicherheitsbericht behandelt.

Auch wenn es der Leitfaden nicht ausdrücklich anspricht, bleibt es weiterhin erlaubt, dass sämtliche Betreiber von Störfall-Betriebsbereichen den Industrieparkbetreiber damit beauftragen, einen gemeinsamen Sicherheitsbericht des ganzen Standortes mit all seinen Störfallanlagen auszuarbeiten. Das setzt dann allerdings die Bereitschaft zum Austausch der erforderlichen Informationen über den Umgang mit gefährlichen Stoffen und die jeweils geltenden Sicherheitsvorschriften der einzelnen Betreiber voraus. Auf diese Weise kann der Gesamtgefahr des Standortes bestmöglich begegnet werden.

Betreiber muss Abweichungen im Streitfall rechtfertigen

Neben dem Leitfaden KAS-55 ergeben sich weitere Hinweise für die Arbeit an Sicherheitsberichten nach § 9 Störfall-Verordnung auch aus der Arbeitshilfe für die Anwendung der Störfall-Verordnung bei Industrieparks der (früheren) Störfallkommission (SFK-GS 44 vom 25.06.2005). Die Leitfäden und Arbeitshilfen besitzen aber keine normative Kraft. Sie stellen weder gesetzliche Regelungen noch Verwaltungsvorschriften dar, selbst dann nicht, wenn sie vom Bundesumweltministerium im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Sie werden wegen des Wertungsgehaltes sicherheitstechnischer Regeln regelmäßig auch nicht als sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten eingestuft. Allerdings stellen sie vor allem dort, wo es keine eindeutigen Regelungen gibt, eine bedeutende Erkenntnisquelle dar, so wie es einige Gerichte zuletzt für den Leitfaden KAS-18 zur Bestimmung angemessener Sicherheitsabstände nach Seveso-III-Richtlinie entschieden haben. Das erscheint gerechtfertigt, weil an ihrer Ausarbeitung angesehene Fachleute beteiligt waren, die hohen Sachverstand bündeln.

Industrieparks stellen durch die Nähe verschiedener Betreiber einen Sonderfall dar.
Industrieparks stellen durch die Nähe verschiedener Betreiber einen Sonderfall dar. (Bild: Tom Bayer – AdobeStock)

Im Einzelfall darf der Betreiber von den Vorgaben der Leitfäden und Arbeitshilfen abweichen. Er unterliegt dann aber einem gewissen Rechtfertigungsdruck und muss im Streitfall darlegen, dass das, was er unternommen hat, dem dort beschriebenen Standard mindestens ebenbürtig ist. Hält sich der Betreiber des Betriebsbereichs an die Leitfäden und Arbeitshilfen, dürfte ihm dies im Fall einer möglichen Haftung oder strafrechtlichen Verfolgung den Entlastungsbeweis erleichtern. Denn im Zweifel misst auch die Rechtsprechung diesen fachkundigen Stellungnahmen zumindest eine Indizwirkung als Erkenntnisquelle und Orientierungshilfe zu.

In unserem jährlich erscheinendem Special "CHEMIE TECHNIK Compendium of Industrial Parks" finden Sie alle Neuigkeiten rund um Industrieparks in englischer Sprache. Zur Ausgabe 2021 gelangen Sie hier.

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