- Großprojekte im Anlagenbau verlaufen selten exakt wie geplant. Strukturiertes und gut vorbereitetes Projektmanagement rechtfertigt daher auch zusätzliche Investitionen.
- Die Planung in der Anfangsphase eines Projekts ist entscheidend, da sich bereits hier nötige Vorkehrungen treffen lassen, um auf spätere Änderungen vorbereitet zu sein.
- Im vorgestellten Infrastruktur-Projekt eines Chemieparks waren frühzeitige Planung und ausgeprägte Kommunikationswege die Schlüsselfaktoren für einen zügigen und erfolgreichen Projektabschluss.
Aus diesem Grund ist die frühe Projektphase entscheidend – denn hier können die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, um im späteren Projektverlauf auf Änderungen und Planabweichungen gut vorbereitet zu sein. Daneben erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, Termin-, Budget-, und Qualitätsvorgaben einzuhalten.
Großformatige und komplexe Projekte verlaufen meist nicht ganz so wie ursprünglich geplant. Erfahrene Projektmanager dürften jetzt wissend nicken. Denn ein erfolgreicher Verlauf hängt von vielen Faktoren ab: An erster Stelle steht die Projektidee, gefolgt vom Projektauftrag und der richtigen Konzeptentscheidung. Es folgen die Detailplanung und die technisch einwandfreie Ausführung. Dabei hat jede Projektphase ihre eigenen Herausforderungen. Erfolgreiches Projektmanagement bedeutet, dass sich Änderungen und methodisches, strukturiertes Vorgehen nicht gegenseitig ausschließen. Oder anders ausgedrückt: Flexibilität im Projektverlauf wird durch präzise Planung erst geschaffen.
Investitionen in die Anfangsphase zahlen sich aus
Konkret ist somit zu Beginn eine Vielzahl von Maßnahmen und Steuerungselementen anzusetzen. Eine regelmäßige Berichterstattung ist Pflicht, genauso wie die aktive Steuerung von Kosten, Terminen, Risiken und Verträgen sowie Plangenehmigungs- und Freigabeprozesse. Daraus ergibt sich zwar zu Beginn eines Projekts ein hoher planerischer Aufwand. Dieser sollte allerdings als Investition in den weiteren Verlauf des Projekts betrachtet werden. Und Investitionen erzeugen für gewöhnlich Mehrwert: Studien zu Industrieprojekten belegen, dass ein erhöhter Aufwand von 5 % für Projektmanagement-Leistungen bis zu 20 % der Gesamtkosten am Projektende einsparen kann. Das Gleiche gilt für die Projektlaufzeit: Durch diesen „Mehraufwand“ von 5 % in der Planungsphase fällt die Dauer der Projektlaufzeit bis zu 20 % kürzer aus.
Auch der Chemieparkbetreiber Currenta hat den Mehrwert einer professionellen Projektsteuerung erkannt und die Projektmanagement-Gesellschaft Thost im Rahmen des Cube-Projekts beauftragt. Hinter dem Projekt steht das bislang größte Infrastrukturprogramm des Industriepark-Betreibers, das die Firma für die Bayer-Division Crop Science umsetzt. Mit rund 70 Mio. Euro sollte die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur für die Pflanzenschutz- und Saatgut-Division von Bayer weiter ausgebaut werden. Hierbei führten die Projektmanager während der gesamten Projektlaufzeit von April 2014 bis September 2018 die übergeordnete Projektsteuerung für alle 14 Teilprojekte des Projekts an zwei verschiedenen Chempark-Standorten durch.
Professionelles Management für statische Strukturen
Eine der größten Herausforderungen zu Beginn eines komplexen Projekts mit vielen Einzelprojekten ist es, alle verfügbaren Assets inklusive Personal in ein geordnetes Gesamtkonzept zu integrieren. Hierfür waren vor allem zwei Kernkompetenzen der Projektleitung gefragt: Projektmanagement-Expertise und Kommunikation. Dabei sind alle beteiligten Teams und Organisationen perfekt aufeinander abzustimmen. Eine große Hilfe war dabei der erfahrene Gesamtprojektleiter der Bayer Corporate Function E & T, vormals der seit 2016 zur Bayer-Konzernfunktion rückintegrierte Technologiedienstleister Bayer Technology Service (BTS).
Er nutzte die zusammen mit dem Projektmanagement-Unternehmen aufgesetzte Stakeholder- und Bedarfsanalyse, um frühzeitig alle Beteiligten zusammenzuführen, den Zusammenhalt im Team zu fördern und ein integriertes Projekt-Team zusammenzustellen. Dabei wurde der Kreis der Stakeholder sehr weit gefasst, wodurch die Projektleitung beispielsweise die Einkaufs- und Genehmigungsabteilung des Betreibers frühzeitig in die Planungen mit einbinden und schon vorab über den Umfang, sowie mögliche erhöhte Einkaufsaktivitäten informieren konnte.
Ein Unternehmen benötigt im Normalfall feste Rahmenbedingungen für den Betriebsablauf. Deshalb ist es eine der Hauptaufgaben des Projektmanagements, die dynamische Natur eines komplexen Vorhabens mit den oft statisch gewachsenen Strukturen eines Konzerns zu vereinen. Insbesondere dann, wenn wie im beschriebenen Fall keine standardisierten Tools, Methoden und Prozesse im Projektmanagement existierten und die Projektleiter Anlagenerweiterungen dieser Größenordnung vorher noch nicht gestemmt hatten. Somit stand am Anfang der Aufbau einer Projektorganisation, die den Anforderungen des Projekts entsprach.
Zunächst ging es um die Organisation der Einzelprojekte sowie die frühzeitige Definition der Prozesse mit klaren Inhalten, eindeutigen Zielbeschreibungen und Regeln. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Gegebenheiten eines jeden Kunden ist stets eine maßgeschneiderte Projektmanagement-Lösung erforderlich. Die Projektmanager erstellten in Anlehnung an bewährte Methoden, wie PMI, GPM, Prince2 oder Scrum, ein auf das Cube-Projekt individuell angepasstes Projektmanagement-Handbuch. Mit Hilfe des Handbuchs, welches auch eine Reihe von Tools und Methoden beinhaltete, konnten die Projektleiter ihre Einzelprojekte nun geregelt und strukturiert abwickeln. Weiterhin beinhaltete das Handbuch darüber hinaus klare Vorgehensweisen bei Änderungen im Projektablauf.
Kommunikation ist das A und O
Effizientes Änderungsmanagement ist nur möglich, wenn Prozesse, Methoden und klare Kommunikationswege bereits implementiert sind. Mögliche Planänderungen werden im Idealfall von Anfang an antizipiert, sodass bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses sehr zeitnah Handlungsempfehlungen und Entscheidungsvorlagen erarbeitet werden können. Um dies zu gewährleisten, ist ein strukturierter Projektablauf unabdingbar. Hierfür wurde im Rahmen des Cube-Projekts der sogenannte Gate-Prozess entwickelt und konsequent angewendet. Dieser sorgt dafür, dass die nächste Projektphase erst dann eingeleitet wird, wenn die zuvor definierten Zwischenziele und die dazu notwendigen Dokumente erstellt sind.
Das mag simpel klingen, ist bei bis zu 400 Dokumenten bis Ende Entwurfsplanung pro Teilprojekt jedoch keine Selbstverständlichkeit. Denn dazu braucht es sehr viel Transparenz, die von Anfang an herzustellen ist. Die Projektsteuerung fungiert dabei als kommunikativer „Alleskleber“, der das gesamte Projekt zusammenhält. Sie hat nicht nur Informationen aktiv einzuholen, sondern sie hat auch kontinuierlich an der richtigen Stelle zu kommunizieren und auf Risiken hinzuweisen. Bei Cube konnten durch die proaktive Kommunikation von gewonnen Erkenntnissen und Lerneffekten Synergien zwischen den Teilprojekten hergestellt werden.
Der methodische, strukturierte Aufbau des Projektes in der Anfangsphase ermöglichte eine aktive Steuerung in den Bereichen Organisation, Termine, Kosten, Qualität, Risiken und Änderungsmanagement. Dass der Chemiepark-Betreiber dadurch die Projektentscheidungen stets auf einer fundierten Grundlage treffen konnte, war für den Erfolg des Projekts maßgeblich. Insgesamt wurde das veranschlagte Budget, welches keinen Etat für Unvorhergesehenes auswies, um zwei Prozent unterschritten. Auch konnten die Termine in fast allen 14 Einzelprojekten eingehalten werden. Damit erzielte das Projekt im Vergleich zu anderen Industrie-Projekten dieser Größenordnung einen Platz im oberen Mittelfeld.
Zu diesem Ergebnis kam das Independent Project Analysis Institute, welches das Currenta-Projekt zum Abschluss einer umfassenden Analyse unterzog. Nicht zuletzt gab es in dem Projekt über den gesamten Projektverlauf von über 4,5 Jahren keine meldepflichtigen Unfälle. Für den Betreiber sind die in diesem Projekt entwickelten Innovationen im Projektmanagement ein Grundstein für weitere Projekterfolge in der Zukunft.
Kongress zum Thema: Engineering Summit 2018
Der 6. Engineering Summit wird am 20. und 21. November in Wiesbaden stattfinden und ist mit rund 300 Teilnehmern – überwiegend Führungskräfte aus dem europäischen Anlagenbau – die wichtigste Networking-Veranstaltung der Branche. Informationen und Anmeldung unter www.engineering-summit.de.