Port of Rotterdam

(Bild: Havenbedrijf Rotterdam - Danny Cornelissen)

  • Rotterdam hat ehrgeizige Pläne in Sachen Wasserstoff-­Ökonomie.
  • Bis 2030 sollen jährlich 4,6 Mio. Tonnen und damit über 40 % des in der EU benötigten Wasserstoffs aus Rotterdam kommen.
  • Neben einer neuen Pipeline entsteht ein 25 Hektar großer „Elektrolysepark“.

Die EU-Kommission hat ehrgeizige Wasserstoff-Pläne – der Hafen Rotterdam noch ehrgeizigere: 2030 sollen in der Europäischen Union 10 Mio. Tonnen Wasserstoff genutzt werden – sowohl aus eigener, klimaneutraler Produktion als auch aus Importen. Von diesem Kuchen will sich der niederländische Hafen ein großes Stück abschneiden: 4,6 Mio. Tonnen sollen an der Maasmündung entweder aus Windstrom erzeugt oder per Schiffstransport angelandet werden. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Kein anderer europäischer Standort ist so gut für das Thema gerüstet wie Rotterdam – die Infrastruktur und die Nähe zu Abnehmern in den Niederlanden und Deutschland sprechen klar für den Nordseehafen.

Port of Rotterdam – die Fakten

Der Hafen Rotterdam ist einer der größten Seehäfen der Welt und der größte Tiefwasserhafen Europas. Der Hafen Rotterdam und die hafenbezogene Wirtschaft tragen etwa 7 % zum niederländischen Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigen etwa 320.000 Arbeitnehmer; etwa 60.000 von ihnen arbeiten im eigentlichen Hafengebiet. Das Hafengebiet reicht knapp 40 Kilometer von der Rotterdamer Innenstadt bis an den Hoek van Holland und nimmt etwa 100 km² Fläche ein. Der Hafen ist der bei Weitem wichtigste Handelspunkt für Erdöl in Europa. Dort kamen 2021 über 98 Mio. Tonnen Erdöl an – davon 30 % aus Russland –, von denen die Hälfte mit Pipelines ins Ruhrgebiet und nach Antwerpen geleitet wurde, die andere Hälfte wurde direkt im Hafen weiterverarbeitet. Im Hafen stehen vier große Raffinerien, die sich meist mehrere Firmen teilen, angesiedelt haben sich 40 Unternehmen der Erdöl- und Chemiebranche, drei Produzenten von Gas und 13 Unternehmen, die sich primär mit Öllagerung und -verteilung beschäftigen. Vom Hafen aus verlaufen mehrere Rohöl-Pipelines nach Deutschland und Belgien sowie eine Produkt-Pipeline über das Ruhrgebiet bis nach Ludwigshafen am Rhein. Im Hafengebiet selbst verlaufen insgesamt 1.500 Kilometer an Pipelines. Daneben ist Rotterdam ein großer Umschlagsplatz für Kohle: 2021 wurden
24,6 Mio. Tonnen importiert – etwa ein Viertel davon aus Russland.

Bereits eine Studie des deutschen Think Tanks Agora Energiewende gemeinsam mit Afry Management Consulting hatte im Frühjahr 2021 die Region zwischen Schelde und Elbe als einen von vier möglichen langfristigen Wasserstoff-Hubs identifiziert. Inzwischen rechnen sich neben Rotterdam auch Eemshaven und Hamburg gute Chancen aus, Zentren für die Produktion und den Umschlag von Wasserstoff zu werden. Weitere EU-Regionen, in denen eine Wasserstoffwirtschaft sinnvoll erscheint, sind laut Agora und Afry die spanische Ostküste, die südosteuropäische Region von Griechenland bis Rumänien sowie Polen und das Baltikum. Doch keine Region ist in ihren Planungen bereits so weit wie Rotterdam: Bereits 2024 soll im künstlich aufgeschütteten Hafengebiet der „Maasvlakte II“ mit der Elektrolyse von Wasserstoff begonnen werden. Geht es nach den Planern des Port of Rotterdam, werden nach und nach 25 Hektar einem „Elektrolysepark“ gewidmet. Zunächst mit einer Leistung von 2 GW geplant, sollen dort verschiedene Investoren Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus Windstrom bauen und betreiben. Langfristig könnte der Standort auf bis zu 20 GW ausgebaut werden.

Port of Rotterdam
Auf der Maasvlakte II, einem künstlich in der Nordsee aufgeschütteten Hafen- und Industriegebiet, soll nach und nach ein 25 Hektar großer „Elektrolysepark“ entstehen. Außerdem soll der Hafen zur Import-Drehscheibe für das Gas werden. (Bild: Havenbedrijf Rotterdam)

Shell baut mit Thyssenkrupp Hydrogen Holland I

Den Anfang macht der Energiekonzern Shell, der das Projekt „Hydrogen Holland I“ plant: Gemeinsam mit Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers (Nucera) will das Unternehmen eine 200-MW-Anlage zur Elektrolyse von grünem Wasserstoff aus Windstrom von dem
69 Windräder umfassenden Offshore-Windpark Hollandse Kust (Noord) bauen. Aber auch Air Liquide, bp und andere Investoren planen eigene Elektrolyseanlagen. Im Projekt H2-Fifty plant bp mit dem niederländischen Konsortium HyCC eine Anlage mit 250 MW Elektrolyseleistung.
Der zunächst von Shell erzeugte Wasserstoff soll über eine neue Pipeline an die bis zu 40 km landeinwärts im Hafen liegenden Raffinerien des Energiekonzerns transportiert werden. Dazu bauen Port of Rotterdam und Gasunie die Leitung „Hytransport.RTM“, die das Rückgrat der künftigen Wasserstoff-Infrastruktur am Standort Rotterdam bilden soll.

Hamburg Green Hydrogen Hub

Das Zentrum der Wasserstoff-Aktivitäten in Hamburg soll am Standort des ehemaligen Kohlekraftwerks von Vattenfall entstehen
Das Zentrum der Wasserstoff-Aktivitäten in Hamburg soll am Standort des ehemaligen Kohlekraftwerks von Vattenfall entstehen. (Bild: Hamburg Green Energy Hub)

Der Hamburger Stadtteil Moorburg hat sich ebenfalls dem Thema Wasserstoff verschrieben: Wo früher Kohle verstromt wurde, soll künftig aus erneuerbaren Energiequellen grüner Wasserstoff entstehen. Dazu ist ein Großelektrolyseur mit 100 MW geplant. Der Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH) hat zum Ziel, die gesamte Hafenwirtschaft zu dekarbonisieren. Wenn alle Genehmigungen und Freigaben rechtzeitig erteilt werden, kann die Wasserstoffproduktion 2025 starten. Im Januar 2021 hatten dazu vier Partner (Shell, Mitsubishi, Vattenfall und Wärme Hamburg) eine Absichtserklärung zum Bau des 100-MW-Elektrolyseurs unterzeichnet.

Und obwohl die Elektrolyseanlage von Shell die größte ihrer Art in Europa sein wird, werden die bestenfalls 35.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr (Annahme: Strombedarf 50 kWh/kg H2) bei Weitem nicht reichen, um den wachsenden Bedarf zu decken. Auch Projekte für blauen Wasserstoff sind deshalb geplant: Das Hytransport.RTM soll auch deshalb an ein weiteres Pipelineprojekt, genannt „Delta Corridor“ angeschlossen werden, das Rotterdam bis 2026 über vier Röhren an weitere Standorte in den Niederlanden, den Hafen von Antwerpen und das Rheinland in Deutschland anbinden soll.
Neben dem Transport von Wasserstoff und wasserstoffbasierten Treibstoffen sind zwei Röhren weiteren Industriegasen vorbehalten. Eine soll künftig Kohlendioxid, das aus Chemie- und Verbrennungsprozessen abgetrennt wurde, zurück nach Rotterdam leiten, um anschließend in einem ehemaligen Öl- und Gasfeld in der Nordsee gespeichert zu werden. Das „Portos“ genannte Projekt könnte jährlich bis zu 2,5 Mio. Tonnen Kohlendioxid aufnehmen und wird von einem Konsortium getrieben, zu dem die Port Authority, der Netzbetreiber Gasunie und der Erdgasversorger EBN gehören.

CT-Fokusthema Wasserstoff

(Bild: Corona Borealis – stock.adobe.com)

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

 

  • Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
  • Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.

Import wird den Löwenanteil an Wasserstoff liefern müssen

Doch so eindrucksvoll wie die Aussicht auf die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Rotterdam auch sein mag – den Löwenanteil wird der Import liefern müssen: Bis zu 18 Mio. Tonnen des gasförmigen Energieträgers könnten – so die Schätzungen des Port of Rotterdam – 2050 per Schiff angelandet werden. Dabei sei die Distanz, über die das Gas transportiert werden muss, wirtschaftlich unerheblich: Die wesentlichen Kosten entstehen bei der Verflüssigung, Umwandlung und Verladung des Energieträgers, hat die Hafenbehörde ermittelt.

Port of Rotterdam hat deshalb bereits mit mehr als zehn Ländern, darunter Island, Portugal, Marokko, Oman, Südafrika, Uruguay, Chile, Brasilien, Australien und Kanada, Sondierungsstudien durchgeführt. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf den Aufbau von Exportketten und Möglichkeiten für eine strategische Zusammenarbeit. Mitte Mai 2022 hatte der Hafenbetreiber schließlich mit fast 70 Geschäftspartnern in aller Welt ein Abkommen unterzeichnet, um die Liefermengen von mindestens 4,6 Mio. Tonnen bis 2030 zu sichern. Darunter neben anderen Hafenbetreibern und Industriegruppen mit Fokus auf Wasserstoff auch mit dem saudischen Ölkonzern Aramco.

Transportfrage noch offen

Neben der technisch anspruchsvollen Verflüssigung von Wasserstoff bei -253 °C wird auch der Transport über Wasserstoff-Trägermedien wie Ammoniak oder Methanol untersucht. Gemeinsam mit Koole Terminals, Chiyoda und Mitsubishi untersucht der Hafenbetreiber aktuell die Machbarkeit des Wasserstoff-Transports über Methylcyclohexan (MCH): Dieses wird bei dem „Spera“ genannten Verfahren durch die Hydrierung von Toluol und Wasserstoff gewonnen und kann ähnlich wie Kraftstoffe transportiert werden. Am Bestimmungsort wird das MCH wieder in Toloul und Wasserstoff getrennt und das Toluol anschließend wieder zurück zum Wasserstoff-Lieferanten transportiert.

Die diversen Aktivitäten des Rotterdamer Hafens und der dort angesiedelten Unternehmen lassen keinen Zweifel daran, dass der Betreiber es ernst meint mit dem Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft. Dem bislang stark vom Erdöl- und Kohleimport abhängigen Port of Rotterdam bleibt auch wenig anderes übrig: Von über 98 Mio. Tonnen Rohöl, die jährlich in Rotterdam per Tankschiff ankommen, stammt fast ein Drittel aus Russland. Die Maßnahmen des 6. Sanktionspakets der Europäischen Union vom 3.6.2022 sehen vor, dass ab März 2023 kein russisches Erdöl mehr eingeführt werden soll. Und auch langfristig haben sich die Betreiber der vier Raffinerien im Hafengebiet dazu verpflichtet, ihre Produktion künftig CO2-neutral zu gestalten. Zudem spielt Wasserstoff bei künftigen e-Fuels eine zentrale Rolle.

So oder so: Der Hafen an der Mündung von Rhein und Maas hat beste Voraussetzungen, um zum europäischen Zentrum für Wasserstoff zu werden.

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