- Bei einem steigenden Anteil von Wasserstoff in Erdgasnetzen und GDRM-Anlagen verändert sich durch die unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten das Pulsations- und Schwingungsverhalten in den Rohrleitungen.
- Die Umstellung einer bestehenden Erdgasanlage hinsichtlich eines zunehmenden Wasserstoffanteils sollte deshalb möglichst frühzeitig schwingungstechnisch analysiert werden.
- Dies ist insbesondere auch beim Einsatz bestehender Kolbenverdichter zu beachten, die nun mit anderen Stoffeigenschaften konfrontiert werden.
Grundsätzlich wird im Bereich bestehender Erdgasverdichter zwischen Turbo- (Strömungsmaschinen) und Kolbenverdichtern (Verdrängermaschinen) unterschieden. Allerdings ist der Einsatz von Turboverdichtern für Wasserstoff aus strömungstechnischer Sicht nicht ohne Weiteres möglich. Vergleicht man die Grundeigenschaften von Erdgas und Wasserstoff, fallen neben der unterschiedlichen Dichte insbesondere die Unterschiede bei den Schallgeschwindigkeiten auf. Eine Verdichtung von Wasserstoff mit einem Turboverdichter ist nur dann möglich, wenn die Schallgeschwindigkeitsdreiecke am Laufradein- und -austritt gleichbleiben (Mach’sche Ähnlichkeit). Für reinen Wasserstoff wäre demnach ein viermal größerer Durchsatz sowie eine viermal höhere Drehzahl (Umfangsgeschwindigkeit) erforderlich. Dieses ist für bestehende Turboverdichteranlagen kaum zu realisieren. Aus diesem Grund werden bei einer Druckerhöhung von Wasserstoff Kolbenverdichter favorisiert.
Im Vergleich zu Turboverdichtern ermöglicht das Verdichtungsprinzip von Kolbenverdichtern eine vom Fördermedium näherungsweise unabhängige Einsatzmöglichkeit. Dennoch werden beim Umstieg auf ein anderes Fördermedium der Verdichter, die Pulsationsdämpfer sowie das Rohrleitungs- beziehungsweise Speichersystem mit gänzlich anderen Stoffeigenschaften konfrontiert. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf das Pulsationsverhalten der gesamten Anlage und können dadurch zu einem veränderten Schwingungsverhalten führen. Es stellt sich die Frage, inwiefern ein Erdgasverdichter aus dynamischer Sicht für Wasserstoff genutzt werden kann. Im Nachfolgenden wird ein empfohlener Weg skizziert.
Pulsationstechnische Aspekte an Kolbenverdichteranlagen
Der Kolbenverdichter kann aufgrund seiner oszillierenden Arbeitsweise in verschiedenen Betriebsbereichen bei nahezu beliebigen Druckverhältnissen eingesetzt werden. Er überzeugt dabei insbesondere durch seine Robustheit und den hohen Wirkungsgrad. Nachteilig zeigt sich hingegen der hohe Instandhaltungsaufwand sowie die dynamischen Kräfte, die zu erhöhten Schwingungen führen können.
Um Schwingungen bereits in der Planungsphase zu vermeiden, werden im Vorfeld Berechnungen in Form von Pulsationsstudien durchgeführt, die unter anderem Aufschluss über die Auslegung und Dimensionierung von Pulsationsdämpfern geben. Diese werden möglichst nahe an die Zylinderflansche installiert und ermöglichen eine erste signifikante Reduktion der Druckpulsationen.
Wasserstoff beeinflusst Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern
Die Nutzung von Wasserstoff hat zahlreiche physikalische Einflüsse auf das Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern. Der Verdichtungsvorgang sowie das Ansaugen in und Ausschieben aus der Arbeitskammer lassen sich dem eigentlichen Arbeitsprinzip des Verdichters zuordnen. Die Veränderung der Akustik des Pulsationsdämpfers sowie der Einfluss auf die Rohrleitungsakustik beschreiben wiederum die resultierende Interaktion des Verdichters mit der Anlage.
Enddruck wird bei der Verdichtung schneller erreicht
Die wesentliche Änderung während der Verdichtung in der Arbeitskammer eines jeden Kompressors ist der deutlich steilere Druckanstieg in Abhängigkeit vom Kammervolumen. Dieser resultiert aus dem stoffspezifischen Isentropenexponenten. Aufgrund der sehr schnellen Verdichtung in der Arbeitskammer kann hier von einem isentropen Vorgang ausgegangen werden. Bei gleichem Kammervolumen zu Beginn der Verdichtung wird der Enddruck deutlich schneller erreicht. Dieser Effekt tritt gleichermaßen auch bei der Expansion nach Beendigung des Ausschiebens auf. Der Umstieg auf Wasserstoff führt somit zu einem größeren Volumenstrom gegenüber dem Betrieb mit Erdgas.
Dieser Effekt ist jedoch nebensächlich, wenn man die Relation der beiden Stoffdichten berücksichtigt, die sich je nach Zustand etwa um den Faktor 9 unterscheiden. Daraus resultiert ein deutlich niedrigerer Fördermassenstrom.
Verdichterventile öffnen früher
Die Änderungen während der eigentlichen Verdichtung in der Arbeitskammer haben auch Auswirkungen auf den Ansaug- und Ausschiebevorgang. Da der Enddruck eher erreicht wird, öffnen auch die Verdichterventile beim Betrieb mit Wasserstoff etwas früher. Auf der Saugseite gelten dieselben Zusammenhänge, wodurch sich die akustische Anregung durch den Ansaug- oder Ausschiebeprozess verändert. Diese wiederum beeinflussen einzelne höherharmonische Komponenten deutlich.
Dieser Effekt hat einen positiven Einfluss auf das Pulsationsniveau. Die deutlich niedrigere Schallimpedanz (Produkt aus Schallgeschwindigkeit und Dichte des Mediums) führt zu niedrigeren Druckschwankungen bei gleichbleibenden Geschwindigkeitsschwankungen. Während die induzierten Geschwindigkeitsschwankungen also aufgrund des ähnlichen Volumenstroms auf einem gleichartigen Niveau bleiben, sind die induzierten Druckschwankungen hier niedriger.
Pulsationsdämpfer sind entscheidend
Die Auslegung der Pulsationsdämpfer entscheidet maßgeblich über das schwingungstechnische Betriebsverhalten einer Kolbenverdichteranlage. Daher werden diese in der Regel individuell für den jeweiligen Prozess ausgelegt und gefertigt. Eine entscheidende Einflussgröße ist dabei die Schallgeschwindigkeit des Fördermediums. Daher ist es unabdingbar zu prüfen, welches Pulsationsverhalten sich beim Betrieb mit Wasserstoff einstellt.
Für Erdgasverdichter werden häufig Pulsationsdämpfer in Zwei-Kammer-Bauweise mit dazwischenliegendem „Choke-Tube“ gewählt. Wird derselbe Verdichter nun jedoch mit Wasserstoff betrieben, verschiebt sich die akustische Einfügungsdämpfung aufgrund der höheren Schallgeschwindigkeit. Infolgedessen wird die Ausstoßfrequenz nun deutlich weniger stark gedämpft, was unmittelbar zu erhöhten Schwingungen führt.
Stärkere Resonanzeffekte
Die aus dem Pulsationsdämpfer austretenden Pulsationen treffen anschließend auf das Rohrleitungssystem, in dem sogenannte „akustische Resonanzen“ auftreten können. Eine akustische Resonanz tritt immer dann ein, wenn die Länge eines akustischen Rohrleitungsabschnitts und die Anregungsfrequenz einer Erregerquelle unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit in einem konkreten Verhältnis zueinanderstehen. Ein geschlossener Rohrleitungsabzweig wird in diesem Kontext als „akustisch geschlossen“ bezeichnet, während ein Rohrleitungsanschluss an einem Behälter einem „akustisch offenen“ Ende entspricht.
In Rohrleitungsabschnitten kann üblicherweise eine Vielzahl von akustischen Resonanzen auftreten. Der wesentliche Unterschied zwischen der Lage der Resonanzfrequenz bei Erdgas und Wasserstoff resultiert erneut aus den stark unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten. Zusätzlich zeigt sich, dass die bei der Planung von Bestandsanlagen zur Dämpfung akustischer Resonanzen installierten Drosselelemente (in der Regel einfache Blenden oder Pulsationsdämpferplatten) einen deutlich niedrigeren Dämpfungseinfluss besitzen. Dadurch treten Resonanzeffekte beim Förderfluid Wasserstoff stärker hervor als bei dem Betrieb mit Erdgas.