Auftakt des europäischen Anlagenbau-Kongresses in Darmstadt

Engineering Summit sucht Lösungen zur Dekarbonisierung

Trotz Corona, Krieg und Gaskrise: Der Klimawandel ist nach wie vor das drängendste Problem unserer Zeit. Das machte der erste Themenblock des diesjährigen Engineering Summits einmal mehr deutlich.

Keynote Jürgen Nowicki
Die Keynote zum diesjährigen Engineering Summit hielt Jürgen Nowicki, CEO von Linde Engineering.

Aktuell befinde sich die Anlagenbaubranche und die ganze Welt im akuten Krisenmodus, konstatierte Jürgen Nowicki, CEO von Linde Engineering, in seiner Keynote zum Auftakt der Veranstaltung in Darmstadt. Diverse politische Spannungen sowie die immer noch grassierende Pandemie trüben das Bild und die Aussichten nicht nur im Anlagenbau. Klar sei aber selbst vor diesem Hintergrund: Das mit „Abstand wichtigste Thema“ sei nach wie vor der Klimawandel. Wasser auf Nowickis Mühlen sind die Meldungen von neuen Hitzerekorden in Europa dieser Tage und – für alle Anwesenden spürbar – die Temperaturen außerhalb des Darmstadtiums, des neuen Veranstaltungsorts des Engineering Summits 2022.

Eindrucksvoll zeigte Jürgen Nowicki mit Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA, dass die Welt auf dem Weg zur Lösung der Klimakrise noch lange nicht „on track“ ist. Selbst wenn man die wegweisenden Pariser Klimaziele und die Zusagen der letzten UN-Klimakonferenz in Glasgow zu CO2-Reduktionen miteinbezieht, verbleibt eine Lücke, um die Klimaerwärmung auf 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Beim einer solchen Erwärmung gehen die meisten Experten davon aus, dass die Folgen wie Extremwetterereignisse noch beherrschbar bleiben – aber selbst das ist nicht garantiert, wie Nowicki betonte.

Dekarbonisierung als Chance für den Anlagenbau

Aber der Linde-Engineering-CEO brachte auch gute Nachrichten mit: Die Dekarbonisierung der weltweiten Industrien und Gesellschaften bringen insbesondere für die Anlagenbau-Branche große Chancen mit sich. Um das Net-Zero-Ziel, also die Senkung der CO2-Emissionen auf netto null bis 2050, seien Investitionen von 4,5 Billionen US-Dollar, also 4.500 Mrd., notwendig – jährlich wohlgemerkt.

Und ein erklecklicher Teil davon wird in technische Lösungen und Anlagen fließen. Vier Bereiche sieht Nowicki dabei im Mittelpunkt: Energieerzeugung, Energieeffizienz, Netze und Speicher sowie schließlich nachhaltige Brennstoffe wie Wasserstoff und Carbon-Capture-Technologien. Als Beispiele im letzten Bereich nannte Nowicki die Produktion von Elektrolyseuren – übrigens ein Geschäftsfeld von Linde Engineering – sowie Prozessausrüstung.

CT-Fokusthema Wasserstoff

(Bild: Corona Borealis – stock.adobe.com)

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

  • Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
  • Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.

Beispiele Kraftwerks- und Zementanlagenbau

Anschluss an Nowickis Keynote knüpften die folgenden Vorträge des Themenblocks Energiewende und Klimaneutralität. Dr. Sfar Kais und Laurenz Krause berichteten von ihren Erfahrung aus und ihren Anstrengung im Kraftwerksbau bei Siemens Energy. Eine Herausforderung in dieser Branche ist es, den weltweit stetig weiterwachsenden Energiebedarf decken zu können und gleichzeitig die Emissionen zu senken. Und gleichzeitig muss die Energieversorgung natürlich verlässlich und der Bau und Betrieb der Kraftwerke wirtschaftlich bleiben.

Ähnliche Herausforderungen stellen sich auch im Zementanlagenbau, wie Frank Ruoss, CSO der Business-Unit Cement bei Thyssenkrupp Industrial Solutions. Die Zementbranche ist für immerhin 8 % der weltweiten Emissionen verantwortlich – deutlich mehr als etwa der Flugverkehr. Vor diesem Hintergrund dürften fehlende regulatorische Vorgaben und Normen oder der Verweis auf andere Länder wie China nicht „als Schutzschild“ gegen die Dekarbonisierung der europäischen Zementindustrie herhalten.

Dem dürften auch die Vertreter anderer zu dekarbonisierenden Branchen im Saal nach diesem eindrücklichen Kongress-Vormittag in Darmstadt zustimmen.

Aktuelle Anlagenbauprojekte in Bildern

Erste hessischen Wasserstoff-Tankstelle für Züge
Ende 2022 soll im Taunus die weltweit größte Brennstoffzellenzug-Flotte ihren Betrieb aufnehmen. Die Wasserstoff-Infrastruktur zum Betanken der Fahrzeuge im Industriepark Höchst ist nun bereits „so gut wie fertig“.Mehr zum Projekt.
Biotechnology Center
Wacker plant für einen zweistelligen Millionenbetrag ein Biotechnology Center in München. Dort will der Chemiekonzern seine Biotechnologie-Forschung bündeln. Die Inbetriebnahme ist für 2024 anberaumt.Mehr zum Projekt.
In Herning will Topsoe künftig SOEC-Elektrolyseanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff bauen
Der dänische Anlagenbauer Topsoe erhält Fördergelder für sein Elektrolyseur-Projekt für grünen Wasserstoff und Power-to-X.Kraftstoffe. Damit ist das Unternehmen unter 14 von 19 Projekten, die gefördert werden.Mehr zum Projekt.
Flaggen
Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck hat seine Herstellungskapazitäten für hochaktive Wirkstoffe am Standort Verona im US-Bundesstaat Wisconsin verdoppelt. Hierfür hat das Unternehmen 59 Mio. Euro investiert.Mehr zum Projekt.
Auto an Steckdose
Sasol und Lotte planen, Lösungsmittel für die Elektrolyten von Elektrofahrzeug-Batterien herzustellen. Bei der Vorstudie wollen die Partner prüfen, ob die Standorte von Sasol bei Lake Charles in den USA und Marl in Deutschland für eine Anlage geeignet sind.Mehr zum Projekt.
Siemens Energy und Air Liquide wollen gemeinsam Elektrolyseure für grünen Wasserstoff bauen
Der Gasekonzern Air Liquide und der Kraftwerksbauer Siemens Energy gründen ein Joint Venture für die Serienfertigung von Wasserstoff-Elektrolyseuren. Schon im nächsten Jahr sollen erste Anlagen produziert werden.Mehr zum Projekt.
Windrad
Die von HH2E und der MET Group entworfene Anlage soll ab 2025 rund 6.000 t/a grünen Wasserstoff produzieren. Schon jetzt planen die Partner eine Ausbaustufe, bei der die Leistung von etwa 200.000 MWh auf 1 GW gesteigert werden soll.Mehr zum Projekt.
Die Versuchsanlage zur Elektrifizierung von Steamcrackern von Dow und Shell in Amsterdam
Die Energie- und Chemiekonzerne Shell und Dow haben in Amsterdam eine Versuchsanlage zur Elektrifizierung von Spaltöfen (Steamcracker) in Betrieg genommen. Die Unternehmen versprechen sich deutliche Einsparungen an Kohlendioxid-Emissionen.Mehr zum Projekt.
Wasserstoff
Plug Power will den Elektrolyseur 2025 in Betrieb nehmen und 35 t/d grünen Wasserstoff für den europäischen Markt produzieren. Den Hafen Antwerpen-Brügge hat das US-amerikanische Unternehmen aufgrund der strategischen Lage als Standort gewählt.Mehr zum Projekt.
Lithium
Technip Energies hat von Viridian Lithium den Zuschlag für eine Machbarkeitsstudie für den Bau einer Lithium-Raffinations- und Konversionsanlage in Europa erhalten.Mehr zum Projekt.
Batterierecyclinganlage
Die BASF will in Schwarzheide eine Anlage für das Recycling von schwarzer Masse aus Batterien im großtechnischen Maßstab errichten. Die Investition soll die Batterie-Aktivitäten am Standort weiter stärken.Mehr zum Projekt.
Ansicht des neuen Fabrikgebäudes in Halol
Das Unternehmen MC-Bauchemie hat einen neuen Standort in Halol im indischen Bundesstaat Gujarat eröffnet. Dort werden Pulverprodukte, Betonzusatzmittel, Polymere und Harze hergestellt.Mehr zum Projekt.
Standort Da Changsha
Das Joint-Venture BASF Shanshan Battery Materials (BSBM) erweitert seine Kapazitäten für Batteriematerialien in China. Mit dem Erweiterungsprojekt will das Unternehmen eine Kapazität von 100 kt/a für Kathodenmaterialien erreichen.Mehr zum Projekt.
Heizkraftwerk
Der Energiedienstleister Getec hat im rumänischen Podari für die neue Bioethanolanlage von Clariant ein Heizkraftwerk in Betrieb genommen. Der Clou: Die Anlage nutzt den Reststoff Lignin aus der Produktion von Bioethanol.Mehr zum Projekt.
Projekt am Standort in Monthey, Schweiz
Die BASF hat am Schweizer Standort Monthey die Produktionskapazitäten für optische Aufheller „signifikant“ erhöht. Dafür investierte der Chemiekonzern insgesamt einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.Mehr zum Projekt.
Lipid-Produktion
Der Chemiekonzern Evonik baut in den USA eine hochflexible Produktionsanlage für pharmazeutische Lipide im Weltmaßstab. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf 220 Millionen US-Dollar, Baubeginn ist Anfang 2023.Mehr zum Projekt.
Engineering Summit
Auf dem 8. Engineering Summit am 20. und 21. Juli in Darmstadt diskutieren Referenten und Teilnehmer über brandaktuelle Themen.Mehr Infos zu der Veranstaltung.