- Vermeintlich sicherheitskritische Deformationen an Tanks und Behältern bedeuten für Betreiber chemischer Anlagen nicht zwangsläufig einen langfristigen Stillstand und kostenintensive Investitionen.
- Prüf- und Vermessungsexperten können schnell und zuverlässig ermitteln, unter welchen Bedingungen sich die Behälter sicher weiterbetreiben lassen oder welche Sanierungsmaßnahmen tatsächlich nötig sind.
Trotz umfangreicher Qualitätskontrollen während der Fertigung und des Zusammenbaus können bei Behältern wie beispielsweise Flachbodentanks für die chemische Industrie Verarbeitungsfehler entstehen. Auch beim Transport und beim Aufstellen kommt es immer wieder zu Verformungen oder Bildung von Beulen. Das kann z. B. bei inadäquater Transportsicherung oder nicht ordnungsgemäßem Aufbau der Fall sein. Zudem ist auch während des Betriebs die Bildung von Beulen möglich. Unzulässige Über- oder Unterdrücke können ebenfalls Gründe für Formveränderungen am Behälter sein. Vorwiegend sind Fehlbedienungen, mangelhafte Wartung und unzureichende Reinigung der Über-/Unterdruckabsicherung die Ursache dafür.
Hinzu kommen Fremdeinwirkungen, die die Geometrie eines Behälters verändern oder sogar die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören Witterungsbedingungen, Windlasten, Bodenbewegungen und biologische Einflüsse. Vorläufig bedeutet zunächst jede Beule ein Sicherheitsrisiko für die Integrität und die Standsicherheit. Betreiber sollten deshalb eine Evaluation durch Experten vornehmen lassen. Denn Behälter für die chemische Industrie sind aufgrund ihrer Konstruktion komplexe Gesamtsysteme. Überdruckventile, automatische Lecküberwachung sowie Heiz- oder Kühlanlagen sind hier nur einige Komponenten, die im Verbund wirken.
Welche Industriezweige benutzen die erwähnten Behälter?
Die Anwendungsgebiete für Flachbodentanks, Industriebehälter oder Silos sind vielfältig. Sie kommen vor allem in der petrochemischen und chemischen und pharmazeutischen Industrie zum Einsatz. Aber auch bei der Papier- und Kunststoffherstellung, in der Lebensmittelindustrie und der Wasseraufbereitung werden sie verwendet. Ein Verlust der Standsicherheit ist nie erwünscht. Besonders allerdings, wenn es sich bei den Speichermedien um brennbare, umweltschädliche oder gar explosive Stoffe handelt, ist die Behälterstabilität alternativlos.
Aspekte der Behältersicherheit
Bereits bevor der Behälter geplant wird, betrachten die Experten Grundbedingungen wie die Stabilität, Wind- und Schneelasten, Fundamenteignung sowie standortbedingte Gefahren. Bei speziellen Behältern, deren Einsatz für wassergefährdende Stoffe bestimmt ist, findet zudem das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) Anwendung. Abschließend werden die Betriebsbedingungen ermittelt. Dabei werden Drücke, Temperaturen und mögliche Wärmespannungen genauso analysiert und ausgewertet wie Einwirkungen durch Rührwerke und die damit verbundene Ermüdungsfestigkeit. Das geschieht nach aktuellem Stand der Technik und unter Berücksichtigung des Eurocodes und der zugehörigen Standards und Normen.
Einige Abweichungen sind zulässig. Bei marginalen Beulen und Deformationen besteht die Möglichkeit, dass die Betriebssicherheit nicht gefährdet ist. Dies bedeutet, dass die unwesentliche Abweichung von der Ursprungsform meist als weiterhin betriebssicher klassifiziert werden kann. Verschiedene europäische Normen geben Aufschluss darüber, welche Abweichungen von der idealen Behälterform tolerierbar sind. Das ist auch abhängig von der Art des Behälters.
Die wichtigsten Richtlinien und Regelwerke im Überblick:
- Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU
- Richtlinie Einfache Druckbehälter 2014/29/EU
- AD 2000-Regelwerk mit wesentlichen Sicherheitsanforderungen aus der DGRL
- DIN EN 13445-3:2021-12, Unbefeuerte Druckbehälter – Teil 3: Konstruktion
- DIN EN 1991-4:2010-12, Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 4: Einwirkungen auf Silos und Flüssigkeitsbehälter
- DIN EN 1993-4-2:2017-09, Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
- DIN EN 14015:2005-02, Auslegung und Herstellung standortgefertigter, oberirdischer, stehender, zylindrischer, geschweißter Flachboden-Stahltanks
Dem menschlichen Auge verborgen
Keine Oberfläche ist perfekt! Einige Verformungen sind problemlos erkennbar, andere bleiben dem menschlichen Auge verborgen. Dies liegt zum einen an ihrer Größe und Form und zum anderen an der begrenzten Wahrnehmungsfähigkeit des menschlichen Auges. Wie können also Prüfer das Unsichtbare sichtbar machen und die Betriebssicherheit aussagekräftig bewerten? TÜV SÜD arbeitet dafür mit dem Vermessungsbüro ÖbVI Petersen interdisziplinär zusammen.
Eine Aufgabe des Vermessungsbüros ist die Erfassung der Behältergeometrie. Dafür nutzen die Vermessungstechniker die Laserscan-Technologie. Der Flachbodentank, der Behälter oder das Silo wird mit Referenzpunkten markiert, die als Bezugspunkte dienen. Durch den Scan entsteht eine exakte IST-Aufnahme des Zustands. Die ermittelten Daten werden später für Berechnungen und Bewertungen weitergenutzt. Während das Vermessungsbüro die IST-Aufnahme erstellt, arbeiten spezialisierte Techniker des Prüfdienstleisters an einer SOLL-Aufnahme. Dazu errechnen die Experten mithilfe eines mathematischen Modells die Idealwerte des Behälters.
Die Modelle sind quadratisch geclustert und mit Höhenlinien versehen. Für eine Feststellung werden die Modelle überlagert und eine passende Clustergröße im Zentimeterbereich ausgewählt. Es entsteht eine dreidimensionale topographische Abbildung, die die Abweichungen deutlich visualisiert. Dieser Abgleich gibt erste Aufschlüsse zur Einstufung der möglicherweise sicherheitskritischen Deformationen. Er dient als Grundlage für das weitere Vorgehen im Prüfvorgang und bestimmt den folgenden Prüfumfang. Bei Ergebnissen, die sich im Grenzbereich der Zulässigkeit befinden, kann ein numerisches Berechnungsverfahren für Klarheit sorgen.
Nachweisbar mit Finite-Element-Methode
Normalerweise bedeutet eine kritische, nicht tolerierbare Abweichung zwangsläufig die Außerbetriebnahme des Behälters. Dies galt auch bei geringfügigen Überschreitungen. In jedem Fall waren mindestens umfangreiche Sanierungsmaßnahmen notwendig, um eine erloschene Betriebssicherheit und Stabilität des Behälters wieder herzustellen. Allerdings gibt es mathematische Simulationsmöglichkeiten in Form eines numerischen Berechnungsverfahrens – der Finite-Elemente-Methode (FEM) um derartige Abweichungen zu bewerten.
FEM ist eine Analysemethode, die strukturelle Bereiche in eine endliche (finite) Menge von Elementen gruppiert. Dadurch kann ein einzelner Bereich wesentlich detaillierter analysiert werden als mit herkömmlichen Erfassungsmethoden. Hierbei wird ein Computermodell des Behälters erstellt, welches die real gemessene Geometrie beziehungsweise Verformungen beinhaltet. Anhand der FEM-Ergebnisse können TÜV-SÜD-Experten eine zuverlässige Aussage zur Betriebssicherheit treffen. FEM ist auch nach der DIN EN 1993-Teil 1-6 ein technisch und wissenschaftlich anerkanntes Verfahren für den zugehörigen Nachweis.