Professional Heavy Industry Welder Working Inside Pipe, Wears Helmet and Starts Welding. Construction of the Oil, Natural Gas and Fuels Transport Pipeline. Industrial Manufacturing Factory

(Bild: Gorodenkoff Productions OU)

Ein Plus von fast 16 % ist kein Pappenstiel – vor allem in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums in Deutschland. Und so haben die Mitglieder der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) 2023 besonders viel Grund zur Freude: Der Auftragseingang der Branche lag mit 24,3 Milliarden Euro deutlich über dem Niveau des Vorjahres (2022: 21,0 Milliarden Euro). Und der Aufschwung der Branche steht auf einem breiten Fundament: Die Anlagenbauer konnten sowohl Groß- und Megaprojekten für nachhaltige Anlagen als auch aus Aufträge für Services und Ersatzteile verbuchen. „Der Anlagenbau hat es geschafft, sich sehr schnell vom Corona-Schock zu erholen und das Wegbrechen des russischen Marktes zu kompensieren“, freute sich Jürgen Nowicki, Vorsitzender der AGAB und CEO von Linde Engineering auf der Pressekonferenz des VDMA am 17. April. Nowicki führt den Erfolg unter anderem auf den Einsatz innovativer Technologien in der Projektabwicklung sowie die strategische Ausrichtung der Unternehmen auf neue Märkte und klimaschonende Technologien zurück. „Der Schlüssel dazu ist Agilität: Anlagenbauer haben ihre Organisation so aufgestellt, dass sie flexibel in volatilen Märkten agieren können.“

Dekarbonisierung wird zum Wachstumstreiber

Erstaunlich an den Erfolgsmeldungen ist insbesondere der Auftragszuwachs im Inland: Hier verzeichnete die AGAB in 2023 ein Plus von 45,4 % auf den Rekordwert von 9,6 Milliarden Euro. Auslöser hierfür waren neben einer Vielzahl von Klein- und Serviceaufträgen aus dem Energiesektor mehrere Großaufträge für klimaneutrale Hütten- und Walzwerke. „Das Inlandsgeschäft wird massiv durch Subventionen getrieben, insgesamt gibt es in Europa bei der Dekarbonisierung aber vergleichsweise wenig Großprojekte“, erklärt Nowicki die Diskrepanz zwischen Auftragslage und Stimmung in der Wirtschaft. Es seien zwar zahlreiche Vorhaben angekündigt, aber aufgrund unklarer Rahmenbedingungen zur Förderung, Energieversorgung und Wettbewerbsfähigkeit trauen sich die Unternehmen nicht, die finale Investitionsentscheidung für Projekte auf Basis grüner Technologien zu treffen. Für den Chemieanlagenbau in Deutschland bilanziert der Verband im aktuellen Lagebericht für 2023 kaum Neuaufträge. „Vielmehr wurden in Deutschland Anlagen vereinzelt geschlossen und Geschäftsfelder aufgegeben“, heißt es in dem Bericht. Dennoch konnten der Chemieanlagenbau über das Auslandsgeschäft den Auftragseingang (2,48 Mrd. Euro) nahezu stabil halten.

Insgesamt erfreulich zeigte sich 2023 das Auslandsgeschäft: Die Auftragseingänge lagen mit 14,8 Milliarden Euro um 2,5 % über dem Niveau des Vorjahres. Damit haben es die AGAB- Mitglieder geschafft, den Wegfall des russischen Marktes sowie die rückläufige Nachfrage aus China und Indien durch die Gewinnung neuer Kunden in anderen Weltregionen auszugleichen. Wichtigster Einzelmarkt waren die USA mit Bestellungen von 2,4 Milliarden Euro, gefolgt von Italien mit 1,1 Milliarden Euro und Großbritannien mit 860 Millionen Euro. Im US-Markt wirkten sich die vom Inflation Reduction Act ausgehenden Investitionsanreize positiv auf die Anlagennachfrage aus. Der Chemieanlagenbau profitierte von der US-Entwicklung zuletzt mit einer Verdreifachung des Auftragsvolumens auf einen Wert von 824 Mio. Euro. „Dekarbonisierung bleibt im Chemieanlagenbau das dominierende Thema“, heißt es dazu im Lagebericht: Belegt werde dies durch eine Vielzahl von Anfragen, Studien und Vorplanungsleistungen. „Optimismus ist im Chemieanlagenbau weit verbreitet“, heißt es deshalb im Lagebericht.

Übergangstechnologien CCS und CCU gewinnen an Akzeptanz

Chancen für die Branche eröffnen sich im aktuellen Marktumfeld vor allem durch den steigenden Bedarf an nachhaltigen Produktionsanlagen. Dabei gewinnen Übergangstechnologien, bei denen Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert (CCS) oder stofflich genutzt wird (CCU), an Akzeptanz. „Wir brauchen Pragmatisums, um den Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft zu gestalten“, erklärt Nowicki. So habe Deutschland in einer bemerkenswerten Richtungsentscheidung seinen bisherigen Standpunkt neu justiert und will die Anwendung von CCS und CCU nun ermöglichen.„Der Übergang zu einer klimaneutralen Industrie kann nicht schlagartig, sondern nur schrittweise durch einen Mix aus grünen und fossilen Energieträgern mit integrierter CO2-Speicherung gelingen“, erklärt Nowicki. Andernfalls wären sowohl die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa als auch die ambitionierten Klimaziele bis 2050 in Gefahr.

Der Großanlagenbau setzt auf Künstliche Intelligenz

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels spielen digitale Technologien und Künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsselrolle für die Produktivität. Erste Erfolge konnten bereits bei der Programmierung von Anlagen und bei der Softwareentwicklung erzielt werden, weitere Anwendungsfeldern von KI sehen die Unternehmen im Projekteinkaufs und dem Engineering. „Perspektivisch verspricht die Technologie dem Anlagenbau signifikante Produktivitätssprünge, indem sie Ingenieure bei der Durchführung komplexer Planungsaufgaben unterstützt“, ergänzt der AGAB-Vorsitzende. Dennoch rechnen die Anlagenbauer nicht mit einem Personalabbau: „Das Produktivitätspotenzial ist zwar riesig, aber an anderen Stellen steigt der Personalaufwand – beispielsweise im Genehmigungsmanagement“, sagt Nowicki.

Auch in puncto faire Wettbewerbsbedingungen kommt der Großanlagenbau voran: „Wir begrüßen daher die im letzten Jahr umgesetzte Modernisierung des OECD-Konsensus. Die Regeln sind jetzt aber flexibler und besser geeignet, gegenüber Nicht-OECD- Wettbewerbern wie China wettbewerbsfähigere Konditionen zu bieten“, kommentiert der Geschäftsführer der AGAB, Dr. Harald Weber, die Reform.

Höhere Umsätze im laufenden Jahr erwartet

Die meisten AGAB-Mitglieder rechnen 2024 mit konstanten oder steigenden Umsätzen und sind auch im Hinblick auf den Auftragseingang optimistisch. Die Transformation der Energieerzeugung und die Dekarbonisierung industrieller Prozesse sowie die Potenziale des Servicegeschäfts und von Technologien wie etwa der Künstlichen Intelligenz dürften dabei die Treiber sein. „Die Aussichten im Großanlagenbau sind vielversprechend, schließlich kommt dem Industriezweig bei der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels eine Schlüsselrolle zu – das eröffnet Wachstumsperspektiven“, resümiert Jürgen Nowicki.

10. Engineering Summit

Bereits zum zehnten Mal veranstalten die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau und Hüthig Medien / CHEMIE TECHNIK den Engineering Summit. Vom 1. bis 2. Oktober 2024 treffen sich auf der branchenübergreifenden Kommunikationsplattform Führungskräfte aus allen Segmenten des Anlagenbaus, sowie Betreiber und Zulieferer. Dort werden strategische Fragestellungen, Herausforderungen und Chancen des Anlagenbaus thematisiert. In diesem Jahr stehen die Aspekte Agilität in volatilen Zeiten, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Nachwuchsgewinnung auf dem Program. Nähere Informationen unter www.engineering-summit.de

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