- Steamcracker sind unerlässliche Quelle von Basischemikalien, verursachen aber hohe CO2-Emissionen. Elektrische Beheizung anstelle von Gas oder Kohlefeuerung kann diese Emissionen senken.
- In einer Pilotanlage testen BASF, Linde und Sabic zwei elektrische Heizkonzepte. Erste Ergebnisse sind vielversprechend.
- Die Elektrifizierung ließ sich in eine bestehende Anlage integrieren und ist im industriellen Maßstab einsatzbereit.
Steamcracker sind essenziell für die Herstellung von Basischemikalien wie Ethylen und Propylen, die in zahlreichen Industriezweigen Anwendung finden. Der Betrieb dieser Anlagen erfordert Temperaturen von etwa 850 °C, die bisher durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt wurden. Der neue Ansatz nutzt elektrische Energie, idealerweise aus erneuerbaren Quellen, um den Prozess zu beheizen. Bei Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen können die CO₂-Emissionen um mehr als 90 % gesenkt werden. „BASFs Mission, Netto-Null-CO₂-Emissionen und die Elektrifizierung des enorm energieintensiven Steamcrackers zu erreichen, ist ein wichtiger Meilenstein auf unserer Transformationsreise“, sagt dazu der BASF-Vorstandsvorsitzende Dr. Markus Kamieth.
Vom Konzept zur Umsetzung
Erste Forschungsaktivitäten zum Thema Elektrifizierung der Steamcracker veröffentlichte BASF bereits 2019 im Rahmen der Foschungspressekonferenz. Das eigentliche gemeinsame Projekt begann im Jahr 2021 nach langen Vorabeiten in allen drei Unternehmen, als BASF, Sabic und Linde die Entwicklung der weltweit ersten elektrisch beheizten Spaltöfen für Steamcracker ankündigten. In den darauffolgenden Jahren arbeiteten die Partner intensiv an der Entwicklung zweier Heizkonzepte – der direkten und der indirekten Beheizung – sowie an der Planung der Demonstrationsanlage. Nachdem die öffentliche Förderung von 14,8 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im September 2022 bewilligt worden war, wurde im gleichen Jahr mit dem Bau am BASF-Standort Ludwigshafen begonnen, wobei die Integration in bestehende Anlagen im Fokus stand, um praxisnahe Betriebsbedingungen zu schaffen. Nach etwa drei Jahren Entwicklungs-, Konstruktions- und Bauzeit wurde die Demonstrationsanlage schließlich 2024 offiziell eingeweiht und in den Regelbetrieb überführt.
Die Demonstrationsanlage wurde vollständig in eine bestehende Steamcracker-Anlage integriert und ist für eine Verarbeitungskapazität von rund vier Tonnen Kohlenwasserstoffen pro Stunde ausgelegt. Die Anlage mit einer Leistung von 6 MW bezieht ihre Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen. Zwei Heizkonzepte werden parallel getestet: Bei der direkten Beheizung wird Strom direkt an die Spaltrohre angelegt, während bei der indirekten Beheizung Strahlungswärme von Heizelementen genutzt wird. Diese Konzepte sollen den Partnern ermöglichen, flexibel auf unterschiedliche Kundenanforderungen und Standortgegebenheiten zu reagieren.
Wegbereiter für eine emissionsarme Chemieindustrie
Das Projekt basiert auf einer intensiven Zusammenarbeit der drei Partner. Während BASF und Sabic ihr Know-how in chemischen Prozessen einbrachten, übernahm Linde die Entwicklung, das Engineering sowie den Bau der Anlage. Die Demonstrationsanlage dient dazu, Daten und Erfahrungen für die Weiterentwicklung hin zur industriellen Marktreife zu sammeln. Linde vermarktet die Technologie künftig unter dem Namen Starbridge.
Jürgen Nowicki, CEO von Linde Engineering, unterstreicht die Bedeutung des Projekts für die gesamte Branche: „Diese Öfen verwenden eine bewährte Technologie, die wir auf eine völlig neue Basis stellen – nicht im Labor, sondern im großen industriellen Maßstab. Dieses herausragende Gemeinschaftsprojekt beweist, dass wir gemeinsam wegweisende Technologien entwickeln können, die uns auf dem Weg zu Netto-Null-CO₂-Emissionen und klimaneutraler Industrie voranbringen. Die Starbridge-Technologie bringt die Vision einer emissionsfreien petrochemischen Industrie einen Schritt näher.“ Die Förderung seitens des BMWK erfolgte im Zuge des Förderprogramms „Dekarbonisierung in der Industrie“, dessen Ziel es ist, energieintensive Industrien bei ihrer Transformation hin zu Klimaneutralität zu unterstützen.
Interview mit Dirk Reinelt, Senior Vice President Engineering, BASF
CT: Welche neuen Erkenntnisse haben sie seit der Inbetriebnahme des elektrischen Steamcrackers bereits gewinnen können?
Dirk Reinelt: Der e-Furnace ist eine Demonstrationsanlage zur Erforschung der eingesetzten Technologien. Unsere ersten Betriebserfahrungen sind sehr positiv. Das Hauptziel der Anlage ist zwar nicht primär die Herstellung und Vermarktung von PCF-reduzierten Olefinen, dennoch hat BASF für das in Zukunft im e-Furnace produzierte Ethylen bereits ein zertifiziertes Life Cycle Assessment durchführen lassen. e-Furnace-Produkte können so bereits mit einem reduzierten Product Carbon Footprint angeboten werden.
CT: Welche spezifischen technischen Herausforderungen waren bei der Entwicklung zu überwinden?
Reinelt: Mit dieser Entwicklung haben wir Neuland betreten. Wir haben nicht nur die weltweit ersten elektrischen Beheizungskonzepte für Steamcracker entwickelt, sondern wollen auch die Zuverlässigkeit von Schlüsselkomponenten, wie Konstruktionswerkstoffen und maßgeschneiderten Bauteilen, für den Einsatz in dieser Art von Hochtemperaturreaktoren nachweisen. Im Laufe der nächsten zwei Jahre werden wir lernen, wie die Zuverlässigkeit der Komponenten einzuordnen und das gesamte System zu bewerten ist.
CT: Wie konkurrenzfähig ist die Technologie gegenüber konventionellen Steamcrackern, insbesondere bei stark schwankenden Strompreisen?
Reinelt: Die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie zu konkurrenzfähigen Preisen ist eine wichtige Voraussetzung. Die jeweiligen Standorte müssen mit einer ausreichenden Stromversorgungskapazität ausgestattet sein oder direkt an erneuerbare Energiequellen angeschlossen werden. Die BASF hat sich durch die Beteiligung am Bau von Windparks in der Nordsee in die Lage versetzt, auch eigenen Strom an die Standorte zu bringen und die Produktion auf erneuerbare Energien umzustellen.
CT: Wie reagieren potenzielle Kunden auf die neue Technologie und wie groß ist die Nachfrage?
Reinelt: Linde wird die e-Furnace-Technologie vermarkten und anbieten und als Partner für die Realisierung entsprechender Projekte für Unternehmen der Petrochemie fungieren. Linde stellt ein sehr großes Interesse bei den Kunden aus der Petrochemie an dieser Technologie fest. Derzeit sind jedoch viele der Kunden noch in einer Findungsphase, was die optimale Wahl der jeweiligen standortspezifischen Emissionsreduktionstechnologien betrifft. Der nach Aussage von Linde differenzierende Aspekt der Starbridge-Technologie zu anderen Ansätzen ist aber, dass die Entstehung von CO2-Emissionen vermieden wird. Für die Technologie ist eine ausreichende und verlässliche Verfügbarkeit von emissionsarm erzeugtem Strom zu wettbewerbsfähigen Kosten eine wichtige Voraussetzung. Erfreulicherweise sieht Linde global mittlerweile vielerorts einen klaren Trend hinsichtlich zunehmender Verfügbarkeit von emissionsarmem Strom und erwartet daher in den nächsten Jahren eine weiter stark ansteigende Nachfrage.
CT: Wie lange wird es dauern, bis die Pilot-Technologie zum industriellen Standard werden kann?
Reinelt: Technologisch und technisch ist Linde nach eigener Aussage bereits jetzt soweit, elektrisch beheizte Spaltöfen im industriellen Maßstab dem Markt bereitzustellen und zu implementieren. Bis 2030 erwartet Linde tendenziell Projekte, in denen einzelne elektrische Spaltöfen in Anlagen integriert werden, beispielsweise zur Kapazitätserweiterung oder als Ersatz von alten herkömmlich gefeuerten Öfen am Ende ihrer Lebenszeit. Dieser Ansatz erlaubt den Betreibern ein gestuftes und überschaubares Investment sowie eine damit einhergehende gestufte Emissionsreduktion, zusammenpassend mit den von den Unternehmen geplanten Emissionsreduktionszielen. Ab 2030 und abhängig von den Entwicklungen der Randbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die steigende Verfügbarkeit von emissionsarmem Strom, sehen die Projektpartner die Starbridge-Technologie in zunehmend breiterer Anwendung zur weiteren Dekarbonisierung der petrochemischen Industrie. Ein erster wichtiger Schritt hin zum industriellen Standort ist die Demonstrationsanlage, um die neuen Technologien unter realen Produktionsbedingungen zu testen und weiterzuentwickeln. Nachdem die Demonstrationsanlage in Betrieb genommen wurde, beginnt zunächst der Testbetrieb. Da das Scale-up der Technologie bereits während des Engineerings und der Installation der Demonstrationsanlage fortlaufend vorangetrieben wurde, ist mit dem Angebot eines kommerziellen elektrifizierten Ofens durch Linde bereits Ende 2024 zu rechnen.
CT: Welche politischen Maßnahmen oder zusätzlichen Förderungen wären notwendig, um eine breite Einführung der Technologie zu beschleunigen?
Reinelt: Die Entwicklungsaktivitäten für den elektrisch beheizten Ofen finden zwar grundsätzlich in Ludwigshafen statt, aber der Einsatz dieser neuen Technologie ist nicht nur auf diesen Standort begrenzt. Das Technologiekonzept erlaubt eine schrittweise Umsetzung entsprechend der wachsenden Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, da konventionelle Öfen schrittweise ersetzt werden können. BASF wird sich intensiv für die Infrastruktur und die Rahmenbedingungen einsetzen, um den Einsatz der elektrifizierten Chemieproduktion auch im Süden und Südwesten Deutschlands zu ermöglichen.