- China wird aufgrund seiner geopolitischen Ambitionen als Handelspartner mittlerweile kritischer gesehen, gehört aber nach wie vor zu den umsatzstärksten Märkten.
- Deutsche Chemieunternehmen bauen ihre Präsenz auf dem chinesischen Markt mit Kapazitätserweiterungen aus. Die dortigen Standorte gehören zu den weltweit größten dieser Unternehmen.
- Ansprüche an Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind zunehmend Faktoren, die auch Investitionsentscheidungen in China beeinflussen können und sollten.
Vor gar nicht allzu langer Zeit galt China als wichtiger Wachstumsmarkt für die deutsche und die europäische Industrie: Die aufstrebende Volkswirtschaft verlangte nach Rohstoffen, Material und Produktionsanlagen, um ihren wachsenden Wohlstand zu unterstützen, und der Rest der Welt war gern bereit, diesen Bedarf mit Exporten nach China und Geschäften vor Ort zu decken.
Ende der 2010er Jahre war auch und insbesondere das Interesse chinesischer Investoren an europäischer Fachkenntnis sehr ausgeprägt: Während man sich in Deutschland zunächst über teils hohe Investitionssummen aus China freute, geriet aber schließlich die eigene Wettbewerbsfähigkeit in Schieflage. Überschriften wie vom Ausverkauf nach China oder der chinesischen Einkaufstour machten die Runde, und die chinesischen Ambitionen als Wirtschaftsmacht wurden kritischer beäugt. Gleichzeitig ließ auch der Wirtschaftsboom in China nach, und Corona erledigte den bekannten Rest: abstürzende Umsätze, gesprengte Lieferketten, Re-Shoring in der EU.
Bauprojekte deutscher Konzerne in China
Allerdings betrifft dies nicht den gesamten Rest der westlichen Investitionsaktivitäten im Reich der Mitte: China ist nach wie vor ein Milliardenmarkt, und selbst die schwächelnde Nachfrage ist noch immer gewaltig. Die Größen der deutschen Chemiekonzerne sind nach wie vor in Asien aktiv, allen voran BASF mit dem Verbundstandort Zhanjiang. Insgesamt 10 Mrd. Euro sollen in den Standort fließen. Der Standort soll nach Ludwigshafen und Antwerpen der drittgrößte BASF-Standort der Welt werden.
Seit dem Baubeginn in Zhanjiang im Jahr 2019 folgen regelmäßige Projektmeldungen zu Anlagenbauten und Inbetriebnahmen. Jüngstes Teilprojekt ist der im März begonnene Bau einer Methylglykol-Anlage mit einer geplanten Kapazität von 46.000 t/a, die ab 2025 den wachsenden chinesischen Automobilmarkt mit Bremsflüssigkeit versorgen soll. Unabhängig davon, aber ebenfalls an den Automobilmarkt gerichtet, ist das Joint Venture BASF Heraeus Metal Resource. In dessen Rahmen betreibt BASF gemeinsam mit dem Edelmetall-Lieferanten Heraeus Precious Metals seit Anfang 2024 eine Recycling-Anlage für Abgaskatalysatoren am chinesischen Standort Pinghu.
Der Kunststoffhersteller Covestro ist ähnlich aktiv und treibt sein Wachstum auf dem chinesischen Markt mit Kapazitätserweiterungen für die Produktion vor Ort voran. Nach nur einem Jahr Bauzeit nahm der Konzern im August 2023 eine Anlage für Polyurethan(PU)-Elastomere in Shanghai in Betrieb. Der dortige integrierte Standort ist mittlerweile die insgesamt größte Produktionsstätte des Unternehmens weltweit, in den letzten rund 20 Jahren steckte Covestro etwa 3,7 Mrd. Euro in dessen Ausbau. Die PU-Kapazitäten in China reichen damit aber offenbar noch nicht aus: Kurz nach der Inbetriebnahme in Shanghai erfolgte der Baubeginn einer Anlage für thermoplastische Polyurethane (TPU) am Standort Zhuhai. Mit geplanten 30.000 t/a soll die Anlage 2025 in Betrieb gehen. Nach weiteren Ausbauphasen soll Zhuhai ab 2033 der weltweit größte TPU-Standort des Konzerns sein.
Ein weiterer deutscher Investor in China ist der Chemiekonzern Wacker. Dieser erweitert erneut seine Produktion von Spezialsilikonen am Standort Zhanjiagang. Bereits 2022 hatte der Konzern dort die Kapazitäten mit einer weiteren Fertigungslinie erhöht. Die nun erfolgte zusätzliche Erweiterung ist mit rund 150 Mio. Euro die größte Einzelinvestition in den Standort, die neue Anlage soll 2025 starten. Auch für Wacker gehört dieser Standort zu den weltweit größten des Konzerns. Die dort hergestellten Silikonöle, -emulsionen und -elastomergele fließen unter anderem in Kosmetikprodukte und Textilien, sind aber auch wichtige Additive für Lacke, Papier und Baustoffe.
Ist China nachhaltig zukunftsfähig?
Aber auch trotz solcher und weiterer Bauaktivitäten ist nicht alles rosig in China: Aus zwei chinesischen Joint Ventures hat sich BASF vor Kurzem zurückgezogen, der Konzern verkauft seine Anteile an den Unternehmen BASF Markor Chemical Manufacturing und Markor Meiou Chemical. Mit diesem Schritt will der Chemieriese laut eigener Unternehmensmitteilung seinen globalen CO2-Fußabdruck senken: Die beiden Unternehmen produzieren Butandiol und Polytetrahydrofuran in energieintensiven Prozessen mit Kohle als Rohstoff. Gleichzeitig betont der Konzern in diesem Rahmen, Berichte jüngster Audits hätten keine Hinweise darauf ergeben, „dass Mitarbeitende der beiden Joint Ventures in Korla an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren“. Dennoch sieht der Konzern nicht näher erläuterte Hinweise auf Aktivitäten, die BASF nicht mit seinen Unternehmenswerten vereinbar sieht.
Die offizielle Begründung für den Rückzug – das geplante Senken der globalen Emissionen – unterstreicht wichtige Trends im Anlagenbau und in der Industrie: Nachhaltigkeit und Verantwortung. Angesichts der ehrgeizigen Ziele zur Klimaneutralität, die sich die Chemiekonzerne selbst gesetzt haben, sind auch ein hoher CO2-Ausstoß und der Einsatz fossiler Rohstoffe nicht mehr mit den Werten eines Unternehmens vereinbar. Möglicherweise greift BASF mit diesem Rückzug schon dem umstrittenen Lieferkettengesetz vor. Diese EU-Richtlinie hält Unternehmen und Anlagenbetreiber dazu an, mögliche Menschrechtsverletzungen und Umweltschädigungen entlang seiner gesamten Lieferketten zu untersuchen und zu vermeiden. Für Produkte, die unter Verstößen gegen die Lieferkettenrichtlinie hergestellt und auf den Markt gebracht werden, können Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn die Menschenrechts- oder Umweltverletzungen etwa bei einem Zulieferer stattgefunden haben.
10. Engineering Summit
Bereits zum zehnten Mal veranstalten die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau und Hüthig Medien / CHEMIE TECHNIK den Engineering Summit. Vom 1. bis 2. Oktober 2024 treffen sich auf der branchenübergreifenden Kommunikationsplattform Führungskräfte aus allen Segmenten des Anlagenbaus sowie Betreiber und Zulieferer. Dort werden strategische Fragestellungen, Herausforderungen und Chancen des Anlagenbaus thematisiert. In diesem Jahr stehen die Aspekte Agilität in volatilen Zeiten, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Nachwuchsgewinnung auf dem Programm. Nähere Informationen und Tickets unter www.engineering-summit.de
Bei aller guten Absicht wird diese Regelung auch leicht zur Tücke: Bei hochspeziellen Produkten kann so schnell ein ganzer Markt wegbrechen. Ein Beispiel ist die Herstellung von Fluorpolymeren, die im asiatischen Raum nachweislich unter höheren Umweltbelastungen produziert werden als in Europa. Genauer gesagt, als sie in Europa noch produziert werden. Fluorverbindungen sind umstritten, und die drohende Schließung des Dyneon-Standorts im bayrischen Chemiedreieck wird eine Lücke in die europäische Versorgung mit Fluorpolymeren reißen, die sich konform mit dem Lieferkettengesetz nur schwer decken lässt.
Andererseits können die bestehenden Anlagenbau-Projekte und Investitionen auch zu einer nachhaltigen Industrie beitragen. Auch in China steigen der Drang und die Bereitschaft zur Dekarbonisierung. Das Recycling von Edelmetallen wie bei BHMR verringert beispielsweise die CO2-Emissionen der Metallgewinnung um bis zu 98 %, verglichen mit dem konventionellen Abbau. Für die klimafreundliche Energieversorgung des Verbundstandorts Zhanjiang investiert BASF – ebenfalls in einem Joint Venture – in einen Offshore-Windpark mit einer Kapazität von 500 MW. Beteiligter Partner ist das chinesische Energieunternehmen Mingyang.